8/02/2013

Nachtrag zu Rio: Besuch der Favela Santa Marta

Grundsätzlich gelten Favelas in Rio de Janeiro trotz der "Befriedungsprogramme" immer noch als No-Go-Area. Eine Ausnahme ist die Favela Santa Marta, deren Häuser zwischen Botafogo und Laranjeiras an einem steilen Hang kleben. Einige von Euch kennen sie vielleicht, sie diente als Kulisse von Michael Jacksons Video "They don't care about us" im Jahre 1996, als die Favela noch von den Drogenbossen beherrscht wurde. Eine Statue von Michael Jackson erinnert an dieses Ereignis, der eigens angelegte Hubschauberlandeplatz ist heute ein Fußballplatz.
Die Michael Jackson Statue mit der Chrisus Statue im Hintergund

Seit rund 70 Jahre besteht diese Comunidade, vor 4 Jahren wurde sie befriedet und ein Aufzug installiert, die Nutzung ist kostenlos. Im unteren Drittel der Favela gibt es Straßen, die auch befahren werden können, oberhalb schlängeln sich nur noch kleine Pfade und Treppen zwischen den Häusern entlang. Insofern ist der Aufzug eine große Entlastung vor allem für diejenigen, die im oberen Teil der Favela wohnen. Doch der Aufzug brachte nicht nur Gutes. Früher waren die hoch gelegenen Häuser trotz des unglaublichen Ausblicks über die Stadt wegen der beschwerlichen Wege unbeliebt, heute versuchen Immobilienhändler mit diesen Juwelen Geschäfte zu machen, wie letzte Woche im Zeit Magazin ausführlich berichtet wurde: www.zeit.de/2013/31/rio-de-janiero-immobilien-glaser-wielend. Auch in der Favela Santa Marta sollten die Bewohner der am höchsten gelegenen Häuser dazu gebracht werden, zu verkaufen, aber sie wehrten sich erfolgreich. An die Auseinandersetzung erinnern noch Schriftzüge und Grafittis.

Der Aufzug mit seinen 4 Stationen erleichtert die Erreichbarkeit der oben gelegenen Häuser.
Schriftzüge wie "Apartheid" erinnern daran, dass die Bewohner ihre Häuser in der neuen Top-Lage mit aller Kraft verteidigen mussten.
Großartiger Blick über die Stadt, rechts oben in den Wolken breitet Christus der Erlöser seine Arme über der Stadt und den Favelas aus.
Wir sind eine große Gruppe von knapp 20 Personen und werden von unserer englischsprachigen Führerin, die uns die Geschichte und die Hintergründe der Favela erklärt, und zwei Bewohnern der Favela begleitet, einer geht voran, der andere wartet geduldig, bis alle ihre Fotos gemacht  haben und bildet das Schlusslicht. Zwar profitieren die Bewohner von dem Tourismusprogramm, aber es ist deutlich zu spüren, dass wir Eindringlinge sind und hier eigentlich nicht hingehören. Wir sehen auf unserer Tour nur wenige Menschen und wenn, dann gilt die strikte Anweisung, sie nicht zu fotografieren - woran wir uns natürlich halten.
Solche Besuche sind für mich immer eine sehr zwiespältige Angelegenheit. Einerseits war dieser Besuch sehr wichtig, um auch die andere Seite von Rio kennenzulernen. Denn die Favela ist ein krasser Gegensatz zu den Orten, an denen wir uns sonst aufhalten - das reiche Barra Tijuca mit riesigen Shopping Malls und hohen Mauern, die Copacabana, der Stand von Ipanema oder die Innenstadt mit ihren riesigen Hochhäusern. Andererseits hat es immer auch etwas von einem "Zoobesuch". Wir laufen durch die engen Gassen, sind beeindruckt von den Bildern, die sich uns bieten, machen Fotos - und sind wieder weg. Dieses Dilemma, wenn zwei Welten aufeinandertreffen, lässt sich nicht vollständig lösen, auch wenn man sich mit viel Respekt und im vollen Bewusstsein der eigenen Gastrolle bewegt.

Dicht an dicht stehen die Häuser in der Favela, die menschen leben auf engstem Raum zusammen. Im Rahmen eines Projektes der Stadt, sollen innerhalb von 2 Jahren alle Häuser verputzt und weiß/bunt angestrichen werden.
Steile Treppen und enge Gassen.
Arm und reich stehen sich in Rio de Janeiro oft Auge in Auge gegenüber.

Bunte Street Art gibt es reichlich in der Favela.



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